Vorschläge der AfB SH zur Novelle des Hochschulgesetzes von Schleswig-Holstein

 

Historische Vorbemerkung

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Hochschulen in der Bundesrepublik zu immer autonomeren Institutionen entwickelt: Früher bestimmte die Hochschulverfassung der „Kanzleruniversität“ die Hochschullandschaft, bei welcher die Landesregierung durch den von außen eingesetzten Kanzler direkten Einfluss auf die Leitung derHochschule nehmen konnte.Heute wird mit den modernen Präsidialverfassungen eine starke Eigenständigkeit derHochschulen angestrebt, sodass z.B. die Kanzler/-innen nunmehr von den Hochschulgremien gewählt werden und nahezu alle Entscheidungen nur noch einer rechtlichen Aufsicht des Ministeriums unterliegen. Als hochschulpolitisches Steuerungsinstrument der Landespolitik dienen mittlerweile Zielvereinbarungen. Die demokratischen Strukturen innerhalb der Hochschulen wurden seit Einführung der Studierendenschaften in den 1970ern allerdings kaum verändert.

 

1 Transparenz

Aus den Zeiten der Kanzleruniversitäten (s.o.) ist das Konzept der eingeschränktenÖffentlichkeit von Hochschulgremien überführt worden –da die Entscheidungsfindung innerhalb einer staatlichen, von der Gesellschaft finanzierten Hochschule nunmehr nicht mehr einer staatlichen Kontrolle unterliegt, sollte die interessierte Öffentlichkeit diese nachvollziehen können und von Seiten der Hochschule dargestellt bekommen.

V1.

Die Sitzungen der zentralen Gremien Senat und Fachbereichskonvente sollengrundsätzlich öffentlich sein –die Öffentlichkeit kann in begründeten Fällennatürlich ausgeschlossen werden. (Änderung des alten §16 HSG).

V2.

Die Hochschulen sollten in geeigneter Form öffentliche Berichte über ihre Aufgabenerfüllung erstellen. Diese können bspw. dem Landtag vorgelegt werden.

 

2 Gremienstruktur

(→Anlage 1)

Bis zur Novellierung des Hochschulgesetzes 2007 war die Gremienstruktur derHochschulen in Schleswig-Holstein durch zwei parlamentarische Gremien (Konsistorium und Senat) sowie einem Rektorat als Hochschulleitung geprägt. Durch die Drittelparität im Konsistorium (gleiche Anzahl an Professor/-innen, Mitarbeiter/-innen undStudierenden) war sowohl die Wahl der Hochschulleitung als auch eine Änderungder Verfassung nicht allein von einer Statusgruppe dominiert, wie es im mehrheitlichprofessoral besetzten Senat der Fall ist.In der neuen Präsidialverfassung fiel das Konsistorium als Gremium weg und ein externes Gremium (Hochschulrat) wurde mit einigen Kompetenzen eingeführt. Die Erwartungen an dieses Gremium über eine intensive Beratung und Kontrolle hinaussind nicht erfüllt worden, weshalb bspw. der „Universitätsrat“ mittlerweile abgeschafftwurde.

V3.

Dass wichtige Entscheidungen an Hochschulen auch (verfassungskonform)mit einer Drittelparität getroffen werden können, wurde mit dem Konsistoriumbewiesen –um jedoch die zeitliche Verzögerung von mehrstufigen Entscheidungen in Hochschulgremien zu vermeiden, wird ein Erweiterter Senat vorgeschlagen. Dieser ist drittelparitätisch zusammengesetzt und entscheidet in allen Fragen, die nicht zum engen Kernbereich von Forschung und Lehre gehören, für welchen das Bundesverfassungsgericht eine professorale Entscheidungsmehrheit als erforderlich erachtet hat. Diese Zusammensetzung soll entsprechend für die Fachbereichskonvente gelten; andere Gremien der Hochschule wie Ethikräte oder andere Beiräte sollen entsprechend paritätisch besetzt sein.

V4.

Zur Stärkung der innerhochschulischen Demokratie und Verlagerung von Entscheidungskompetenzen in die tatsächlich verantwortlichen Gremien solltendie Senat der Struktur-und Entwicklungsplanungen sowie den Zielvereinbarungen zustimmen müssen und das Präsidium organisatorische Entscheidungen anstelle des beratenden Hochschulrats treffen. DieInteressenvertretungen der Studierenden und der Mitarbeiter/-innen, die Gleichstellungsbeauftragten, die Beauftragten für Menschen mit Behinderung sowie Diversitäts-Beauftragte (s.u.) sollen in den Gremien mit Antrags-und Stimmrecht vertretensein, sofern ihre Aufgabenbereiche betroffen sind.

 

3 Diversität & Antidiskriminierung

In den letzten Jahren wird allenthalben stärker die Notwendigkeit erkannt, in Hochschulen die Förderung von Diversität sowie das Vorgehen gegen Diskriminierungsfälle institutionell zu stärken, da strukturelle Diskriminierungseffekte bisher noch nichtzufriedenstellend verringert werden konnten.

V5.

Es sollen in allenHochschulen Beauftragte für Diversität installiert werden, dieals freigestellte Beauftragte Ansprechpartner/-innen für alleMitglieder der Hochschule (Studierende, Mitarbeiter/-innen und Professor/-innen) sind und nebender Förderung von Vielfalt und Diversität in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Hochschulen auch die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) überwachen.

 

4 Hochschulzugang, Europäischer Qualifikationsrahmen

In einem sich immer weiter diversifizierenden Bildungssystem mit immer komplexeren Bildungsbiographien kann der Hochschulzugang nicht mehr auf spezielle Bildungswege wie das Abitur begrenzt werden, sondern sollte stärker an tatsächlichenFähigkeiten und Qualifikationen orientiert sein.V6.Im Hochschulgesetz soll eine Orientierung am Europäischen Qualifikation(Stufe 5 als Voraussetzung für Bachelor-Studium, Stufe 6 für Master-Studium,Stufe 7 für Promotion) festgeschrieben werden. In Zusammenarbeit mit denHochschulen soll eine entsprechende Verordnung entwickelt werden, dieHochschulzugänge regelt.

 

5 Zivilklausel

Die Studierendenschaften hatten bereits viele gute Ideen zur Umsetzung eines Ethikkonzeptes, für die, dank der im Schleswig-Holsteinischen Hochschulgesetz weiten Auslegung der Forschungsfreiheit, viel Kreativität notwendig ist. Denn verboten werden kann tatsächlich kaum etwas.Überhaupt ist für Hochschulgesetze nur klar, dass zwar Zivilklauseln in Hochschulgesetzen grundsätzlich verfassungskonform sind, allerdings wurden die Klauseln, die es bisher in Landeshochschulgesetzen gegeben hat (wie zeitweise in Niedersachsenoder NRW, immer durch rot-grüne Regierungen eingeführt) nicht wirklich umgesetzt.Qua Gesetz verordnete zivile Forschung und Lehre an Hochschulen setzt am bestenan den Steuerungsmechanismen der einzelnen Hochschule an.In Schleswig-Holstein ist eine Zivilklausel im neuen Hochschulgesetz unrealistisch, allerdings sollte auf eine Formulierung gedrungen werden, die zumindest zulässt,dass die Hochschulen im Lande eigene Gebote, wie ziviles Wirken, auch restriktiv umsetzen können, indem eben Forschung mit Rüstungskonzernen zu nicht eindeutig zivilen Zwecken nicht betrieben werden darf. Alle derzeitig zur Verfügung stehenden Werkzeuge für die Umsetzung einer Zivilklausel zielen darauf ab, die handelnden Personen immer und immer wieder auf die ethischen Dimensionen ihres Wirkensund das ethische Leitbild der Hochschule hinzuweisen. Bei guter Umsetzung, und das derzeitige Präsidium scheint nicht abgeneigt, kann auch so eine zivile Uni entstehen, durch zwanglosen Zwang.

V7.

Im Hochschulgesetz sollen die Hochschulen zu einem eigenen Konzept undzu einer eigenen Umsetzung verpflichtet werden, denn das reine Gebot wird inder Regel überhört.

AfB SPD Schleswig-Holstein

Sophia Schiebe, Benjamin Walczak

 

Anlage: Gremienstruktur

(Copyright: Benjamin Walczak)